Philipps Universität Marburg
Fachbereich : Gesellschaftswissenschaften und Philosophie
Fachgebiet: Völkerkunde
WS 1999/2000
Seminar: Über das Verstehen und Mißverstehen der Geister:
Vodou und die Rezeption eines fremden Weltbildes
Leitung: Bettina Schmidt
„Tieropferungen im Vodou“
Konrad Licht
Tieropferungen im Vodou
Inhalt
1. Einleitung
2. Métraux, Alfred: „Voo-doo in Haiti“
2.1. Métraux und Voo-doo in Haiti
2.2. Opferungsbeschreibungen
2.3. Rituale
2.4. Opferungen zu bestimmten Anlässen
2.5. Bedeutungen der Opferungen
3. Konflikt mit Gesetzen
4. Bandini, Pietro „Voodoo“
4.1. Bandini über Opferungen
4.2. Tierspezifische Schilderungen
4.3. Der Rest des Buches
5. Maya Deren „The Devine Horsemen“
6. Literaturangaben
1. Einleitung
Vorerst möchte ich mich mit der literarischen Wiedergabe von Tieropferungen innerhalb der Voodooreligion auseinandersetzen. Dabei beziehe ich mich voranging die beiden Bücher von Pietro Bandini und von Alfred Métraux. Beide Autoren schildern die Thematik der Tieropferungen detailliert. In anderen Arbeiten über die Voodooreligion habe ich keine derartig ausführlichen Beschreibungen der Tieropferrituale gefunden, womit ich meine Auswahl auf diese beiden Bücher begründen möchte. Zusätzlich beziehe ich noch Artikel aus er New York Times mit ein, welche über die voodoobenachbarte Religion Santeria und deren Umgang mit der Tieropferproblematik berichten.
Anschließend an die Auseinandersetzung mit der literarischen Darstellung möchte noch auf die filmische Umsetzung der Tieropferungen am Beispiel von Maya Derens Film „Divine Horsemen“ eingehen.
Aufgrund der Betroffenheit, die beschriebene Rituale in mir auslösten, hielt ich es für angebracht, an einzelnen Textstellen auch persönliche Meinungen und Ansichten zumindestens zu benennen.
Anmerkungen:
1. Ich habe die Schreibweise Bandinis und Métraux’ „Voodoo“ übernommen.
2. Zitate werden rot gedruckt.
3. Arbeit bitte benoten.2. Métraux, Alfred
„Voo-doo in Haiti“
1994 Griftendorf
2.1. Métraux und „Voo-doo in Haiti“
Alfred Métraux galt als Ethnologe der alten Schule. Er besass für seine Zeit modernste fachliche Qualifikationen und verwirklichte in seinen Reisen auch jenen Abenteuergeist der Reisenden und Pioniere des 19. Jahrhunderts. “Er war auf alles neugierig und vernachlässigte nicht das winzigste Detail..“ Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ethnologen, die über den haitianischen Voodoo forschten, schenkte Métraux auch dem Opferungsaspekt der Religion detaillierte Aufmerksamkeit. Er berichtet über Tieropferungen, welche er mit eigenen Augen beobachtet hat und kennzeichnet auch Schilderungen von Voodoogläubigen über Bedeutungen und Abläufe solcher Opferungen.
Métraux gliedert sein Buch in sieben Kapitel. Dabei untersucht er jeweils geschichtliche, göttliche und soziale Aspekte des Voodoo. Zusätzlich beschreibt er Magievorstellungen und vergleicht schließlich die Voodooreligion mit dem Christentum. Besonders detailliert beschreibt Métraux den Ablauf von einzelnen Ritualen. Dabei trennt er strikt zwischen eigenen Beobachtungen und überlieferten Berichten. Neben zahlreichen Zeremonien, die er miterlebt hat, bezieht er seine Dokumentation zum großen Teil auf Informationen, die er von einer Voodoopriesterin namens Lorgina erhalten hat. Zu dieser Frau hatte er eine sehr innige Beziehung. Dadurch war er stark in die Materie des Voodoo einbezogen, und in der Gemeinde anerkannt. Michel Leiris beschrieb dies in der Einführung zu dem Buch: “Bei seinem Studium…ging es ihm weniger um theoretische Erörterungen als vielmehr um die Möglichkeit, die Menschen kennenzulernen, ihnen möglichst nahe zu kommen und sie unmittelbar in der ganzen Mannigfaltigkeit ihrer Sitten und Bräuche zu erfassen. Einer der wesentlichen Vorzüge seiner vielen Abhandlungen liegt…darin, daß sie aus einem intimen, persönlichen Kontakt des Autors zur Materie, zu den Menschen oder den Dingen, über die er schreibt, entstanden sind.“
Métraux hielt sich dafür mehrere Male in Haiti auf. Sein Hauptaufenthalt fand von 1944 bis 1950 statt.
2.2. Opferungensbeschreibungen
Ich möchte mich darauf konzentrieren, wie Métraux Tieropferungen innerhalb der Voodoogemeinschaft beschreibt und darstellt. Vorerst muß gesagt werden, dass er sich jeglicher direkten Wertung diesbezüglich entzieht. Er schreibt nicht, das er über Beobachtetes entsetzt reagiert, oder das er Aktionen als unmenschlich empfindet. Der „intime, persönliche Kontakt zur Materie“ wie Leiris schrieb, wird nicht direkt in Worte gefasst. Durch eine spezielle Ausdrucksart und detaillierter Bildlichkeit entsteht allerdings während des Lesens eine scheinbare Wertung. Diese projiziert der Leser jedoch selber in den Text. Sicherlich spielt dabei die Einstellung des jeweiligen Lesers zu der Problematik eine Rolle. Mir zumindest erscheinen Textpassagen, wie folgende, auch wenn es nicht direkt angesprochen wird, durchaus wertend: „Einige Opferpriester drehen den Körper des Vogels solange, bis der Kopf in ihren Händen zurückbleibt. ..Häufig wird..die Zunge, manchmal auch die Luftröhre..mit den Zähnen herausgerissen“. Bei solcher Bildlichkeit, wird vorhandene Brutalität deutlich gemacht, ohne dabei vom ethnologischen Standpunkt abzukommen. Als Leser jedoch muß man zwangsläufig darauf mit Abscheu reagieren. Es fällt mir auch schwer zu glauben, dass Menschen solche Qualen nur aufgrund ihres Glaubens beiwohnen und tolerieren können. Von der Tat der Vollstreckung ganz zu schweigen.
Métraux fühlte sich zum Voodoo hingezogen, wollte jedoch weder Begeisterung einbringen und auch „..nicht die Attitüde jener..,die nicht aufhören, mit einem Augenzwinkern von frommen Betrug zu reden.“ Sein benanntes Ziel war es, dass Buch aus Sicht des Ethnographen zu schreiben, „das heißt mit Methode und Behutsamkeit.“
Unter diesem Aspekt beleuchtet er auch die Problematik der Tieropferungen. Er schildert sowohl verschiedene Beispiele als auch soziale Gesichtspunkte. Es wird zum Beispiel erwähnt, wie Schulkinder an die Thematik herangeführt werden: Die Geschichte des haitianischen Voodoos wird ihnen unter anderen am Aufstandes zur Unabhängigkeit Haitis und zur Sklavenbefreiung in der Nacht des 14. Augustes 1791 gelehrt. Dieses wird als eindrucksvolles Schauspiel der Aufständigen auf einer Waldlichtung berichtet: Bei einem tobenden Unwetter zelebriert eine Priesterin den Mord an einem schwarzen Schwein.“..erregt stößt die Priesterin das Messer in die Gurgel des Tieres. Das Blut spritz heraus, es wird dampfend aufgefangen und rundum an die Sklaven verteilt: alle trinken davon und schwören Befehle des Boukman (dem Rebellenführer) auszuführen“
Auch heute noch findet das Blut des Schweines häufig bei Pakten Verwendung. Dabei dient das Tier als Symbol der Diskretion, “..denn da es selten den Blick zum Himmel richtet ist es kaum neugierig.“
2.3. Rituale
In dem Kapitel „Das Ritual“ beschreibt Métraux zahlreiche Beispiele von Abläufen der Zeremonien mit samt ihren Opferungsgaben. Dabei unterscheidet er auch welche Tiere für welche Götter geopfert werden und beschreibt detailliert, wie dies stattfindet. Einige Beispiele davon, die wie auch die folgenden ausführlicheren Beschreibungen aus Métraux Forschungsarbeit entstammen, will ich nun kurz schildern.
Bei dem Fest für Oga tanzte eine Frau mit einem Ziegenbock im Arm, bevor er geopfert wird. Für Marinette-bois-chèche werden unter anderen Ziegen und schwarze Mutterschweine geopfert. Außerdem werden Hühner bei lebendigen Leibe gerupft und auch begraben. Die bösartigen Dämonen der Mondouge-mussai-loa müssen mit lebendigen Hunden befriedigt werden, denen man die Ohren abbeißen und an ihrem Blut saugen muß.
Derartige Riten werden sehr traditionell zelebriert. Die Priester präsentieren spezielle Gegenstände wie das Opfermesser und auch das Opfer selbst während der Einleitung in alle vier Himmelsrichtungen. Auch die Abfolge selbst verläuft nach einem klassischen Ritualschema. Dabei ist es das Ziel, in dem Tier heilige Kräfte zu konzentrieren, um sie dann durch die Tötung frei werden zu lassen. Alles ist dabei dem Ritual unterworfen. Das Tier muß dem Gott angenehm sein und seine Attribute präsentieren. Wenn es möglich ist soll das Tier auch die spezielle Farbe des Gottes haben.
Einleitend wird das Tier in Verwendung von parfümierten Wasser gereinigt. Daraufhin wird es mit einem reinen Tuch abgetrocknet und gelegentlich erneut parfümiert, ja sogar gepudert. Werden Stiere geopfert, so umhüllt man sie in Samt oder Seide. Dabei soll der Stoff die Farbe des Gottes haben, an den sich die Opferung richtet. Auch die Hörner werden umwickelt und es werden Kerzen auf dem Gehörn angezündet. Dadurch wurde dem Voodoo häufig satanische Bedeutung zugeschrieben und mit Hexerei in Verbindung gebracht. Laut Métraux sollen die Kerzen jedoch nur die halbgöttliche Natur des Tieres verstärken. Nun wird auf dem Rücken des Tieres mit getrockneten Speisen Kreuze gemalt. Um als Opfertier von dem jeweiligen Gott anerkannt zu werden, muß das Tier nun eine heilige Speise und Flüssigkeit zu sich nehmen. Opfert man ein Huhn, setzt man es neben das Futter und wartet, bis es die Körner aufpickt. Bei einem Stier reicht es allerdings für gewöhnlich seinen Mund mit Kräutern zu kitzeln. Oftmals wird dem Tier die Nahrung allerdings eingezwungen. Métraux bezog sich auf Beschreibungen von Michel Leivis, als er schrieb, wie einem Stier das Maul gewaltsam aufgerissen wurde und die Flasche mit Rum in seinen Rachen geschoben wurde. Nach dem Mahl wird das Tier zum Eigentum des Gottes. In dieser Vergöttlichung wird der Priester und mehrere Zuschauer von dem loa besessen. Diese Gegenwart der Götter drückt die Bereitschaft des loas zur Entgegennahme des Tieres aus. Bei Hühneropferungen packt der Priester das Tier an den Beinen und malt mit ihm auf den Personen. Dabei schüttelt er das Huhn. Wenn sich das Huhn dabei noch nicht die Extremitäten bricht, so werden Flügel und Beine vor der Tötung gebrochen. Die Beteiligten versuchen jetzt eine möglichst intime Beziehung zu dem Tier aufzubauen. Dabei reiten sie auf dem Tier und tanzen mit ihm. Ein Mann „..setzt sich auf den Hals des Stieres. Er packt ihn am Maul und saugt lange.“ Andere küssen den ganzen Körper und sogar die Kruppe und den Anus. „Andere Besessene nähern sich dem ..(zu opfernden Stier)und streicheln es verliebt.“ Durch diesen „intimen“ Beziehungsaufbau kommt es zu einer totalen Identifikation des Opfernden mit dem jeweiligen Opfer.
Dies erscheint mir freilich eine merkwürdige These zu sein. Wie ist es für die Voodooisten möglich sich vollkommen mit einer Kreatur die sich qualvoll seinem Lebensende nähert zu identifizieren? Wenn sie sich tatsächlich in die Lage eines solchen Tieres versetzen täten, würden sie spüren oder zumindest ahnen können, dass ihre Aktivitäten nichts als Greuel und Qual für das Tier bedeuten. Das Tier beinhaltet keine göttliche Energie und fühlt sich auch in keinster Weise dazu berufen als Mahl für einen Gott zu dienen. Ich hatte zwar bisher keine Gelegenheit einer Voodoozeremonie beizuwohnen, jedoch kenne ich mich zumindest so weit mit dem Verhalten und dem Empfinden von Tieren aus, dass ich sagen kann, dass kein Tier auf der Welt religiöse oder gar göttliche Botschaften oder Eigenschaften aufzubringen oder zu erhalten vermag. Das Tier, um was sich in dem Augenblick des Rituals alles dreht, kann nichts anderes als grenzenlose Furcht verspüren. Ich muß gestehen, dass ich grossen Mitleid mit diesen Geschöpfen habe. Und dieses Mitleid wandelt sich in Wut gegenüber den Tätern um. Deren Handeln kann ich in keinster Weise verstehen. Vielleicht wäre es durchaus angebracht, wenn es tatsächlich zu einer „totalen Identifikation“ mit dem Opfertier käme. Wenn die Priester am eigen Leibe spüren müssten, welche Qualen sie den Tieren antun. Und wer weiss es schon, vielleicht ist es ja eines Tages wirklich soweit. Vielleicht existiert dann eine Spezies, welche den starken Drang der Menschen auf Vorherrschaft zu brechen vermag und somit der Menschheit zeigt, wie sinnlos es ist danach zu streben, über alles zu herrschen, als ob wir lauter kleine Götter sind. Wahrscheinlich bedarf es auch dafür, damit auch das Leiden der Tiere ein Ende hat erst einen solchen Schritt. Andere Wege zeigten diesbezüglich keine großartigen Veränderungen auf. Es wurden beispielsweise Gesetze erlassen, die die Opferungen unterbinden sollten. Darauf will ich jedoch später eingehen. Vorerst will ich mich wieder auf die von Métraux beschriebenen Opferungsschritte konzentrieren.
Die Tiere werden jetzt in alle Himmelsrichtungen gezeigt. Stiere werden ebenfalls dazu gezwungen, indem man sie herumreisst und auf den Boden wirft. Böcken werden, bevor der Gnadenstoß sie befreit, der Bart und die Hoden abgeschnitten. Die Priester saugen letztere sogar aus! Mit einer Messerklinge werden den Tieren gelegentlich auch Kreuze in das Fleisch geritzt. Schließlich täuscht der Priester mit dem Messer drei Tötungsversuche an, bevor er die Schlachtung vollendet.
2.4. Opferungen zu bestimmten Anlässen
Initiierung von Gläubigen
Der Novize läßt sich von dem Priester mit Nahrung vollschmieren. Daraufhin hält der Priester ein Huhn an den Körper und läßt es die Nahrung aufpicken. Danach drückt der Priester das Huhn wieder ans ich, „..bricht ihm die Flügel und die Beine, reißt die Zunge mit den Zähnen heraus und träufelt drei Tropfen Blut auf den Kopf des Initiierten. Er dreht dem Huhn den Hals um und tötet es.“
Heilung
Métraux konnte auch Heilungsrituale beiwohnen. Der Priester „fegte“ Hühner über den Körper des Patienten. Dabei sollte das Huhn entweder Körner aufpicken, welche auf dem Patienten lagen oder sie einfach wegfegen. Dies führt freilich zur totalen Willenlosigkeit der Tiere. Die danach in sich gekauerte Henne wird nach Beendigung des Rituals bei lebendigen Leibe begraben. Dadurch wird die Gesundheit des Patienten erkauft.
Weihnachten in Port-au-Prince
Auch zu Weihnachten, wie zu nahezu allen Gelegenheiten, indenen sich an die Götter gewandt wird, opfern die Voodoopriester Hühner. Das Tier wird wie gewohnt in alle Himmelsrichtung gezeigt, bevor der Priester, welcher sich in Trance befand, mit seinem Säbel den Kopf des Huhnes abschlug. Er „..saugte das aus dem zuckenden Körper sprudelnde Blut und schnitt das Tier in mehrere Stücke..“ Von dem Huhn war schließlich nur noch eine „..unförmige Masse aus Federn, Knochen und Fleisch“ übrig. Gelegentlich werden die Knochen von geopferten Hühnern für beispielsweise Wahrsagezwecke aufbewahrt.
Selbst bei der Taufe einer Trommel, werden Tiere geopfert. Meist handelt es sich dabei um weiße oder schwarze Böcke.
2.5. Bedeutung der Opferungen
In seinem Vorwort erklärt Métraux, was Voodooanhänger von ihrem Glauben erwarten: „Ihre Anhänger verlangen von .. (ihrer Religion) Heilung ihrer Leiden, Befriedigung ihrer Bedürfnisse und die Hoffnung auf ein Fortleben.“
Anscheinend glauben die Voodooanhänger, dass nur sie diese „Hoffnung auf ein Fortleben“ haben. Nur so lässt sich mir die Brutalität, welche die Voodoozeremonieteilnehmer an Tieren ausüben, erklären. Sie müssen andere Lebewesen als reine Objekte ansehen. Es scheint mir unmöglich zu glauben, dass von ihnen Tiere als Wesen mit Gefühlen oder einer Seele angesehen werden. Wie sonst wäre es ihnen ohne schlechtes Gewissen möglich diese Wesen aufzuziehen, zu füttern – nur um sie später möglichst qualvoll hinzurichten? Tiere sind anscheinend nach ihren Erkenntnissen und Glaubensrichtungen keine Lebewesen, die diesen Drang nach Überleben haben. Ich nehme eher an, das Voodooanhänger in ihren Opfertieren Dinge sehen, die erst an Sinn und Bedeutung gewinnen, sobald der Augenblick ihrer Opferung naherückt.
Es wird häufig geschrieben, das im Voodoo viele Tiere als heilig gelten. Moreau de Saint Mery identifiziert die Voodoo Religion selbst sogar mit einer Schlange, ein „allmächtiges übernatürliches Wesen“. Voodoopriester handeln, nach Moreau, stets im Namen der Schlange, ob sie einen neuen Anwärter in ihre Gesellschaft aufnehmen oder nicht. Die dazugehörige Veranstaltung findet im Geheimen statt. Eine Priesterin steigt auf einen Käfig, in welchem sich eine Schlange befindet. Dadurch wird sie zu einer Art von Pythia und vermag heilige die Entscheidungen zu fällen. Danach steigt die Priesterin wieder von dem Käfig, welcher nun auf den Altar gestellt wird. Anschließend wird eine Ziege geopfert und ihr Blut getrunken. Das soll die Lippen der Teilnehmer versiegeln. Lieber sollten sie sterben oder gar töten, als das das Geheimnis des Voodoos veröffentlicht wird.
Obwohl diese Darstellung aus der Zeit der Kolonialisierung stammt, wird sie auch heute noch oft zitiert.
Mir stellt sich die Frage, wenn ich derartige Beschreibungen von Zeremonien lese, inwieweit die Beteiligten tatsächlich an das glauben, was sich vor ihren Augen abspielt. Nehmen die Zuschauer es tatsächlich ernst, dass die Priesterin auf dem Käfig die göttliche Schlange darstellt? Ist ihnen tatsächlich nicht bewußt, dass in dem Käfig nichts weiter als ein Reptil gefangen ist, welches möglicherweise Todesängste ausstehen muss?
Vermutlich sind diese Fragen damit zu beantworten, dass ihnen die Realität gleichgültig ist. Was für sie zählt, ist ihr Glaube an ihre Göttlichkeiten. Und die Schlange oder das Blut der Ziege sind hauptsächlich religiöse Ausdrucksmöglichkeiten. Die Ziege wird getötet um ihre Glaubensstärke zu verfestigen. In einem blutigen Schwur steckt der Wunsch nach einer stabilen und geheimnisvollen Religion. In der Tötung der Ziege und dem Trinken des Blutes wird direkt ausgedrückt, was vielleicht in anderen Opfergaben-Beispielen im Verborgenen bleibt. Nämlich das die Opferungen, welche an die Götter gerichtet sind, in Wirklichkeit gebrachte Opfer für den Fortbestand des religiösen Glaubens darstellen. Die Götter wirken dadurch realer, ja menschlicher, wenn man ihre Gunst erwerben muss. Durch rituelles Abschlachten halten sich die Voodoogläubigen die traditionellen Wünsche ihrer Loas vor Augen. Die Vorstellungen über ihre Götter und ihren Glauben versinnbildlichen sie lebhaft in zahllosen Zeremonien. Diesem Wunsch nach Glaubensfestigung fallen die Tiere zum Opfer. Die Tiere sind dank ihrer Symbolik reines Mittel zum Zweck.
Dies wird unter anderem in einer Schilderung von Descourtilz, einem Zeitgenossen von Saint-Méry, deutlich. Er tötete eine Schlange, der alles mögliche zu essen gereicht wurden ist, „…ohne dass dieses Sakrileg bei den Verehrern des Reptils große Aufregung hervorgerufen hätte.“
Frühe Aufzeichnungen schilderten bereits, dass Tiere getötet wurden, um Feinden Angst einzujagen. 1792 schrieb Malenfant in seinem Expeditionsbericht:„Als wir uns dem Lager näherten, sahen wir…große Stange in der Erde stecken, auf deren Spitzen verschiedene Vogelkadaver in unterschiedlicher Weise gesteckt waren. Auf einigen befanden sich Reiher, auf anderen weiße Hühner, auf wieder anderen schwarze Hühner. Auf dem Weg lagen abgeschnittene Teile von Vögeln, die in Abständen auf den Boden geworfen und von kunstvoll arrangierten Steinen umgeben waren“.
3. Konflikt mit Gesetzen
Ich erwähnte zuvor bereits den Versuch durch Gesetze die Tieropferungen in den Religionen zu unterbinden. Am Beispiel der Santeriareligion möchte ich nun, basierend auf diversen Artikeln aus der New York Times darüber berichten.
Im Jahre 1987 fand ein Versuch statt, religiöse Tieropfer gesetzlich zu verbieten. In Hialeah City, Florida, entwarf die Stadt ein Gesetz, welches die Tieropferungen der Santeria Anhänger unterbinden sollte. Vor allem Hühner, Schweine, Schafe und Schildkröten werden bei Geburten, Hochzeiten und Tod von den Anhängern geopfert. Außerdem finden diese Opferungen zu Heilzwecken, Initiierungen und alljährlichen Zelebrationen statt. Die Tiere werden durch Kehlschnitte getötet und anschließend meistens gegessen. Santeria ist eine Religion, die ebenfalls aus dem afrikanischen Voodoo entstanden ist. Sie wurde von westafrikanischen Sklaven nach Kuba überliefert, und wird heute auch in Florida von über 70000 Menschen praktiziert. Der Santeriapriester Ernesto Pichardo in Hialeah war, laut New York Times, empört über das Verbot der Tieropfer. Als Argument brachte er an, dass zum Beispiel Jäger Tiere nach Belieben abschlachten dürfen, und lediglich der religiöse Hintergrund in seiner Religion das Töten illegal werden läßt. Dadurch fühlte er sich in seiner religiösen Freiheit verletzt und wandte sich an den Supreme Court:“What needs to be resolved here ist the restoration of religious freedom into the constitution.“ Dabei fand er unter anderen von der Catholic leage for religious and civil rights Unterstützung. Pichardo versuchte sich für die religiöse Freiheit in der gesamten Welt einzusetzen. Dabei lenkte er gezielt von dem Standpunkt der Tierschützer ab, denen er gegenüberstand: „This is not a local issue any longer, any more than it is just about Santeria or offering animals. It has become about all religions.“ Sein Anwalt erklärte im November 1992 vor dem Supreme Court: „This is a case about open discrimination against a minority religion.“ Die Stadtverwaltung versuchte ihr Gesetz wiederum damit zu verteidigen, das es hierbei um Tieropferungen als gerichtliches Problem ohne Anbetracht der Religion gehe. Tatsächlich jedoch wurden lediglich religiöse Opferungen, nicht die Tötung selbst illigalisiert. Aus diesem Grunde entschieden alle neun Richter des Supreme Court am 11. Juni 1992, dass das Verbot der Stadt Hialeah gegen die religiöse Freiheit verstoße. Justice Kennedy erklärte dies unter anderem mit den religiösen Traditionen, die respektiert werden müssen: „The sacrifice of animals as part of religion rituals has ancient roots.“ Desweiteren wurde die Entscheidung wie folgt begründet: „Although the practice of animal sacrifice may seem abhorrent to some, religious beliefs need not be acceptable. logical, consititent. or comprehensible to others..“
Somit wurde die religiöse Freiheit wieder stabilisiert und den Tieren das gerichtlich legale Opferungspotential zugeschrieben.
4. Pietro Bandini :
„Voodoo – Von Hexen, Zombies und schwarzer Magie“
München 1999
4.1. Bandini über Opferungen
Der Mythen und Kulturgeschichtsforscher Pietro Bandini stellt in seinem Buch „Voodoo-Von Hexen, Zombies und schwarzer Magie“ die Religion des Voodoo in seiner gesamten Breite dar. Er umreißt ihre geheimnisvolle Geschichte, die einzelnen Götter und beschreibt außerdem die komplexen und traditionellen Riten der Religion und seiner schwarzen und weißen Magie.
In seinem zehn Seiten umfassenden Kapitel „Manjé-loas, die Speisung der Götter“ beschreibt Bandini Tieropferungen in der Voodooreligion. Das besondere bei seinen Schilderungen ist, dass er dabei seine Meinung zu der Problematik mit einbezieht. Er versteckt sich nicht hinter der Wissenschaft, sondern legt offenkundig die Unmenschlichkeit dieser Rituale dar. Dabei findet jedoch kein Verriss der Religion statt. Er trennt lediglich zwischen den Begründungen die ihm die Voodooisten bezüglich den Opferungen gaben und seinen eigenen gewonnen Eindrücken. Somit stellt er beispielsweise die Ansichten der Voodooanhänger, bezüglich der Notwendigkeit der Opfergaben, seiner eigenen Meinung dazu gegenüber. Die Voodoogläubigen begründen die Opferungen damit, dass sie für Speisen der loas verantwortlich sind. Dabei laben sich die loas freilich nicht an den Tieren im physischen Sinne, sondern viel mehr an der „Essenz“ der Opfer. An ihr stärken sich die loas und sind dadurch fähig, die Menschen mit kosmischer Energie zu versorgen. „Wie in den Mythologien vieler anderer Völker wird auch im Voodoo vorausgesetzt, daß zwischen den Göttern und ihren Geschöpfen ein energetischer Austausch stattfindet.“ Würden die Opferungen abgebrochen, so brechen die loas im Gegenzug die Energieversorgung zu den Menschen ab. Das würde zu Krankheiten, Dürreperioden und allgemeinen Verfall führen. „Nach Überzeugung der Voodooisten liegt es also im wohlverstandenen Eigeninteresse der Menschen, die loas durch Opfer zufriedenzustellen.“ Bandini äußert sich allerdings später dahingehend, dass seiner Meinung nach keine Notwendigkeit für die Tieropferungen besteht: „Wie mir berichtet wurde, ist man jedoch in dem einen oder anderen Humfò dazu übergegangen, „echte“ Tieropfer durch symbolische Handlungen zu ersetzen, und meiner Überzeugung nach könnte der Voodooismus insgesamt diesen Schritt vollziehen, ohne Einbußen an spiritueller Substanz befürchten zu müssen.“ Außerdem drückt Bandini auch sein Unverständnis gegenüber speziellen Ritualen und deren Rechtfertigungen aus:„Selbstverständlich nennen die Voodooisten wiederum viele-aus ihrer Sicht-einleuchtende Gründe, warum der Ziegenbock vor der Opferung kastriert werden muß, und zur Rechtfertigung anderer Scheußlichkeiten mehr.“
Nicht nur die Rechtfertigungen, sondern auch die rituelle Brutalität der Opferungen selbst kommentiert Bandini kritisch, und legt deren Sinnlosigkeit an den Tag: „Auch wenn die Voodooisten beteuern, daß jeder Schritt der Zeremonie aus symbolischen Gründen unerläßlich sei, steht für mich außer Frage, dass zumindest einige Bestandteile des Opferrituals für das Opfertier äußerst qualvoll sind. Hierzu zählt vor allen der Brauch, .. die Flügel und Beine des Huhns zu brechen. Schließlich müsse man verhindern, heißt es, daß das Huhn.. die Flucht ergreifen könne. Nun, zu einer solchen Flucht hätte die bedauernswerte Kreatur gewiß auch dann keine Gelegenheit, wenn man sogleich zu dem Schritt überginge, der ohnehin als unmittelbar nächster vorgesehen ist: der Tötung des Huhns.“
Jedoch beschränkt sich Bandini nicht darauf, die Religion und deren Praktizierung zu kritisieren. Er schildert vorrangig deren Inhalte und detaillierten Abläufe. So kommen auch die bestimmten Regeln der dargebrachten Speisen mit samt ihren streng geregelten Einzelheiten zum Vorschein. Bandini erklärt detailgetreu tierspezifische Opferungen.
4.2. Tierspezifische Schilderungen
Einleitend wird das Huhn, wie bereits von Métraux erläutert, angefaßt an seinen Flügeln, in alle vier Himmelsrichtungen gezeigt. Anschließend geht der Priester zu jedem Kultanhänger und führt das Huhn an seinen Füßen haltend über die Köpfe der Teilnehmer. Daraufhin schwingt der hungan das Tier in der Luft. Métraux schilderte diesen Vorgang deutlicher, indem er ihn mit Bewegungen eines Tambourmajors verglich. Das Huhn wird letztendlich laut Bandini entweder erwürgt oder erstochen. Bestimmte Götter bevorzugen eine spezielle Tötungsart.
Bandini versucht dem Leser zu verdeutlichen, welche fremdartigen Eindrücke die Opferungen auf ihn hinterließ: „So oder so wird bei solchen Opferungen reichlich Blut vergossen-erheblich mehr Blut, als ein durchschnittlicher Europäer zu sehen (und zu riechen!) gewohnt ist.“ Die Opferungen von Ziegen und Stieren fallen meistens noch blutiger und brutaler aus. Die Prinzipien sind allerdings die selben. Bandini meint, dass sobald jemand einmal eine Schlachtung eines Stiers durch einen Voodoopriester beobachten durfte, fällt es demjenigen leicht zu verstehen, warum man den Voodooanhängern oft nachsagt, dass sie auch Menschenblut vergießen lassen. Beschreibungen wie folgende versuchen diese These zu versinnbildlichen: „Sofern es sich bei dem Opfertier um eine Ziege oder gar einen Stier handelt, werden so große Mengen Blut vergossen und aufgetragen, daß sich die heilige Stätte in den Schauplatz eines Massakers zu verwandeln scheint.“ Die Voodooisten selbst sagen jedoch, das die Götter „Ziegen ohne Hörner“ nicht annehmen würden. Den Petro-loa Marinette, grenzen sie dabei allerdings aus, den für ihn wollen sie nicht bürgen. Marinette ist in der Regel in tiefschwarzen Nächten mit schwarzen Schweinen zu versorgen.
4.3. Der Rest des Buches
Die Opferungsbeispiele beschränken sich natürlich nicht ausschließlich auf das genannte Kapitel. Durch den gesamten Buchverlauf finden sich vereinzelt diesbezüglich Beschreibungen. Doch hierbei beschränkt sich Bandini auf eine unkritische und schematische Darstellung. Die Opferungen werden dabei nicht zum zentralen Thema gemacht, sondern nur innerhalb des Kontextes erwähnt. So finden beispielsweise die Opfergaben im Todesfalle eines Voodoogläubigen Erwähnung. Hierbei wird im Totenhaus ein Altar hergerichtet, worauf Speisen für den Toden gedeckt sind. Eine Ziege wird hereingeführt und im Falle das die Ziege die Speisen frißt, stellt dies die Zufriedenheit des Toten dar. „Dieser Bund zwischen Lebenden und Toten wird nun sogleich gefestigt, indem man die Ziege nach vorgeschriebenen Ritus opfert.“ Weitere Beispiel für derartige Erwähnungen sind die Opfergaben für den Wassergott Agwé, wobei die auserwählten Schafe und Hühner an einer bestimmten Stelle eines Gewässers über Bord geworfen werden, und rituelles Töten zum Zwecke der Ansammlung spiritueller Energien. Letzteres wird dadurch realisiert, das Teile eines geopferten Huhnes mit Haaren und Nägeln eines Amtanwärters in einem Topf vermischt werden. Dadurch soll es zu einer Vermischung der individuellen Lebenskraft des Gläubigen und der spirituellen Energie des Opfertieres kommen. Zusätzlich liefert Bandini auch Rezepte deren Basis Tiertötungen sind, wie das Rezept zur Erstellungen eines Amuletts „Makandal“ welches als Talismann dem Abwehrzauber dient:
„Man nehme einen Krokodilzahn und tauche ihn in die sogenannte „Wacheflasche“, die folgende Mixtur enthält:
drei Teelöffel Schießpulver
einige Tropfen Galle von Stier, Ziege oder Keiler
das Blut einer bei Vollmond getöteten Schildkröte
Fingerbreit Wasser aus dem Fischteich
einige Tropfen Rattenblut
20 Gramm mürbes Alligatorfleisch
einige Tropfen Jungfrauenblut“
Die wesentliche Aspekt der Opferungen sind freilich in „Manjé-loas“ angesiedelt. Meiner Meinung nach wertvoll sind dabei auch geäußerte Kritikpunkte. Als Ethnologe sollte man gewiß objektiv an die beforschte Ethnie herantreten. Jedoch schließt dies nicht aus, das man sich dabei auch von ihr distanzieren darf und soll. Was grausam ist, sollte meiner Meinung auch als grausam dargestellt werden. Solange man dabei nicht beginnt, die Ethnie zu verrufen, kann man eine Meinungsäußerung durchaus anbringen. Bandini tut dies geschickt und seriös, nicht zuletzt dank folgender Passage, die den Leser davor bewahren soll, die Voodooreligion mit ihren Stereotypen zu vereinheitlichen: „Die Tatsache, daß lebende Tiere geopfert werden, kann auf den westlichen Teilnehmer einer solchen Zeremonie befremdlich, ja sogar abstoßend wirken. In der Geborgenheit eines europäischen Gelehrtenzimmer über die vielschichtige symbolische Bedeutung solcher Opfer zu schreiben ist eines; hautnah vor Ort zu erleben, wie das herzwarme Blut aus der Kehle eines mit bunten Bändern geschmückten Stieres springt, ist ein Erlebnis von ganz anderer Qualität.“
5. Maya Deren „The Devine Horsmen“
Ganz anders, als Bandini, behandelt der Film „The Devine Horsmen“ von Maya Deren die Thematik der Tieropfer. Der Film, vor allem durch seine Kommentare, stellt sich auf die Seite der Voodoogläubligen und rechtfertigt stets deren Rituale. Der Film sieht es als seine Aufgabe, die Brutalität der Opfergaben zwar zu benennen, aber gleichzeitig herabzuspielen. Am offensichtlichsten wird dies in der Zusammenstellung der Szenen deutlich.
Der Zuschauer wird gemächlich in die Problematik eingeführt. Dies geschiet durch harmlos wirkende Sequenzen, in denen Gläubige mit Hühnern in den Händen tanzen. Die Wirkung der Harmlosigkeit eribt sich aus der Anwendung der slow motion. Dadurch scheinen die Bewegungen weniger schmerzvoller für die Tiere zu sein. Zusätzlich folgt die Kamera den Bewegungen der Hände, sodaß das Herumwirberln eine Art Geschmeidigkeit und Seichtheit erfährt. Wäre die Aufnahme in realer Geschwindigkeit und mit befestigter Kameraperspektive gedreht, so würden Bewegungen chaotischer und gewaltsamer, gleichzeitig auch realer erscheinen.
Nun folgende Sequenzen zeigen eine deutlichere Brutalität. Davon lenkt allerdings der Kommentator ab, indem er auf den Zustand des Menschen, der das Huhn in den Händen hält lenkt: „Possession is the psychic phenomena which occurs when the diving becomes manifest.“ Zusätzlich zu der akkustischen Ablenkung, findet noch eine visuelle statt: das umherwirbelde Huhn wird durch match on movement, einer speziellen Form der Paralellmontage, mit einem sich ähnlichbewegenden Tänzer in Verbindung gesetzt. Am Ende der Szene lenkt ein stark besessenner Tänzer von den zuvorgesehenen Bildern ab.
Ähnliche Ablenkung findet auch wiederholt später statt. Bei dem Fest für Agwe, tanzt eine Priesterin mit Hühnern in den Händen. Dabei berichtet der Kommentator, das es sich hierbei um die feierlichste Angelenheit des Voodoo handelt.
Bei dem Fest für Gede werden Tieropfernugen erstmals zum Thema gemacht. Dies wird eingeleitet indem eine Ziege gezeigt wird und die Stimme sagt „life and death become one and the same“. Nachdem ausführlcih gezeigt wurde, wie der Priester mit Mehl auf den Boden malt und Wasser vergießt, wird erklärt -natürlich aus Sicht der Voodoogläubigen, warum der Priester mit den Hühnern über die Menschen malt, nämlich um alles Böse zu vertreiben. Als schließlich gezeigt wird, wie dem Tier Beine, Flügel und schließlich das Genick gebrochen wird rechtfertigt auch dies der Erzähler: „The Attitude..is never morbid. The intend and emphasise of sacrifice is not upon the death of the animal. It is upon the transfusion of his life to the loa.“ Während diese Opferungen gezeigt werden, bleiben die Täter anonym. Die Gesichter werden konsequent versucht aus dem Bild zu halten. Nach den Opferungen der Hühner und des Ziegenbockes erwähnt der Film für eine lange Zeitspanne die Opferungen nicht mehr, sondern betont die künstlerische Bedeutung des Voodoo. Dadurch soll sich der Rezipient wahrschleich von den Bildern erholen. Erst mit dem Einbringen des Bullen, welcher schließlich an einen Baum gedrückt wird und mit einem kleinen Messer (mit einer solchen Waffe, dauert eine Tötung sicherlich wesentlich länger als sie gezeigt) erstochen wird, konfrontiert er den Zuschauer erneut mit der Problematik. Dabei wird die Tötung stark verkürzt und auch die Narben des Bullen auf dessen Fleisch finden keine weitere Bedeutung. Lediglich die Sicht der Gläubigen bezüglich Notwendigkeit der Opferung wird erwähnt: „The sacrifice of the bull is the ultimate feed for the god.“
Wie ich erläutert habe nimmt der Film keine kritische Stellung gegenüber den Opferungen ein. Er spielt gezielt die Brutalität der Zeremonien herab. Dadurch wird uns die Voodooreligion aus Augen der Gläubigen dargestellt. Auch an anderen Stellen in dem Film wird dies deutlich. So spricht der Kommentator von dem loa, wenn er einen Gläubigen meint, der sich in Besessenheit befindet, statt von einer gläubigen Person. Von daher stellt der Film eine einseitige, wenn auch bildlich künstlerisch gestaltet, Annäherung an die Voodooreligion dar und dient hauptsächlich dem Verständnis über Derens persönliche Haltung zum Voodookult.
6. Literatur
Métraux, Alfred
„Voo-doo in Haiti“
Griftendorf, 1994
Bandin, Pietro
„Voodoo-Von Hexen, Zombies und schwarzer Magie“
München, 1999
Christoph / Oberländer
„Voodoo“
Köln, 1996
Diverse Artikel aus
New York Times
Nov. 1992-Juni 1993