Philipps Universität Marburg
WS 1999/2000
Übung: Ethnographische Forschung – Lektürekurs
Leitung: Mark Münzel
„Beispiele von Feldforschungen über die Maasai“
Konrad Licht
21.3.2000
Beispiele von Feldforschungsmethoden
über die Maasai
This text was written during the first weeks of my studies. It is an incomplete view. Today I would agrue slightly different.
Inhalt
Einleitung
1. Maasai über Maasai
1.1. Tepilit Ole Saitoti
1.2. S.S. Ole Sankan
2. Lektüreforschung
2.1. Raphal Laube
2.2. Kunigunde Böhmer Bauer
3. Geschlechtsspezifische Forschung
3.1. Paul Spencer
3.2. Ulrike von Mitzlaff
4. Medial ausggerichtete Forschung
4.1. Doris Wagner Glenn
4.2. Melissa Llewlyn Davies
5. Unwissenschaftliche Forschung
Corinne Hoffmann
6. Ideale Feldforschung
Literatur
Einleitung
Die Maasaikultur wurde schon lange vor der Kolonialisierung Afrikas beschrieben. Durch Überlieferungen von Karavanenhändlern erhielten sie schon frühzeitig das Image der unberechenbaren und kriegerischen Wilden. Dieses Bild sitzt noch bis heute in den Köpfen. Auseinandersetzungen auf kriegerischer Ebene scheuten auch europäische Kolonialisten. Es ist zum Teil dieses Image, was die Attraktivität der Maasai gegenüber Touristen und auch Ethnologen aufrechterhält. Viele Forscher begaben sich für langjährige oder kürzer ausfallende Aufenthalte in den Busch, um einen Teil „Wahrheit“ über diese Maa-sprechende Ethnie herauszufinden. Einige Arbeiten waren seriös und sinnvoll, andere weniger. Entscheidend dafür waren hauptsächlich ihre Vorgehensweise. Unterschiedlichste Methoden wurden bei den Feldforschungen angewandt. Neun davon will ich nun davon untersuchen.
1. MAASAI ÜBER MAASAI
Beginnen möchte ich mit einer Untersuchung von zwei Texten, welche von Maasai über ihre eigene Kultur geschrieben wurde. Voraussetzung für die Enstehung dieser beiden Werke ist das Austreten aus ihrer traditionellen Kultur. Fast alle Maasai sind Analphabeten und kennen kein anderes Leben als ihren Nomadismus. Sowohl Sankan als auch Saitoti sind, von der zivilisierten Welt beeinflußt, aus ihren Traditionen ausgebrochen. Saitoti beschreibt diesen Vorgang mitsamt seiner Vorgeschichte und seinen Auswirkungen, sodass der Leser diesen Prozeß nachvollziehen kann.
1.1. Tepilit Ole Saitoti „The Worlds of a Maasai Warrior“
Los Angeles 1986
Als ein geborener Maasai verbindet Saitoti seine Heimat, welche zwischen Kenia und Tansania liegt, mit der westlichen Welt und liefert eine Autobiographie, in welcher er die beiden unterschiedlichen Welten zu beschreiben versucht. Dabei berichtet er über seine unzähligen Reisen – ob von der Hochsteppe zum Tiefland oder von Ostafrika nach Europa und Amerika. Er fungiert als Person zwischen zwei Welten, mit all den Vorzügen und Nachteilen, die eine solche Rolle in sich birgt. Das Schlüsselerlebnis, welches ihm die westliche Welt verständlicher und eigener werden ließ, stellt der Tag dar, als sein Vater Tepilit zur Schule schickt. Von da an ist sein Interesse an Bildung geweckt, und er erkennt seine Leidenschaft zum Schreiben. Schon damit übernimmt Tepilit eine Außenseiterrolle innerhalb der Maasai, denn als Maasai eine Schule zu besuchen heißt zwangsläufig in eine fremde Welt einzutauchen, fernab von dem traditionellen Nomadenleben.
In den ersten Kapiteln (nach dem Vorwort von John Galaty) rekonstruiert Saitoti seine Kindheit und beschreibt dabei häufig den Neid, den er gegenüber den gereiften Maasaikriegern empfunden hat. Er erzählt viele persönliche Erlebnisse, die auf die kulturellen und sozialen Traditionen der Maasai schließen lassen. Desweiteren bringt er dem Leser die Schwierigkeiten des Überlebens in der Savanne nahe, so dass man deutlicher als in ethnologischen Arbeiten ein Bild davon erhält, wie das alltägliche Leben der Maasai tatsächlich aussieht. Später beschreibt er seine Zeit als Krieger. Jedoch erlebt er diese Lebensphase nicht wie die anderen Maasai, denn er beschließt gegen die Entscheidung seines Vaters, sich für ein Leben außerhalb Afrikas und besucht ein College in den U.S.A. und reist nach Europa. Doch aus persönlichen Gründen zieht es ihn immer wieder in seine Heimat zurück.
Sein Buch ist durchdrungen von emotionalen Empfindungen und Erlebnissen, was ihm eine außergewöhnliche Lebendigkeit einbringt. Jedoch ist die Sichtweise notwendigerweise vollkommen subjektiv. Feste und Rituale werden durch die Augen eines euphorischen und neidischen Kindes betrachtet. Familiäre Strukturen werden aus seiner Sicht beschrieben und kritisiert. Im Vordergrund stehen nicht die Ziele seines Volkes, sondern persönliche Wünsche und Hoffnungen. Dadurch dient das Buch hauptsächlich, wie der Titel vorwegnimmt, als Annährungslektüre zu den Welten eines Maasaikriegers.
1.2. S.S. Ole Sankan „Maasai“
Nairobi 1971
Der erste Versuch die Geschichte und die Bräuche der Maasai von einem Maasai zu beschreiben stellt Sankans Lektüre dar.
In seinem Text steckt weniger Persönliches, wie bei Saitoti, sondern Allgemeines über die Kultur der Maasai. Als Nachkomme der Ilaikipiak war seine Intention das Vergessene der Europäer anzubringen und die Einheit der Maasai aufzuzeigen. Um dies zu verwirklichen reiste Sankan, President of Narok African Court, intensiv durch das Maasailand und unterhielt sich mit unzähligen Maasai. Zusätzlich diskutierte er mit verschiedenen Verwaltungsinstitutionen um seine Informationen zu vervollständigen. Seine Veröffentlichung diente weiträumig als Grundlage für die Lehrer an den Maasaischulen. Er erzählt von den Klanbeziehungen, der Medizin, den Ritualen und dem Aufbau eines Kalenders. Zusätzlich hält er Sprichwörter und Rätsel der Maasai schriftlich fest, sodass sein Text tatsächlich dazu dient, europäische Feldforschungen zu ergänzen und erweitern.
2. LEKTÜREFORSCHUNGEN
Die folgeden Texte über die Maasai entstanden basierend auf mangelhaften Feldforschungen. Aus Frau Böhmer-Bauers Arbeit geht nicht hervor, ob sie überhaupt im Maasaigebiet geforscht hat. Von daher umreiße ich diese Lektüre nur schemenhaft.
Raphal Laubes 1986 veröffentlichter Text stellt das Werk eines frisch gebackenen Ethnologen dar. Daher wird er wohl keine finanzielle Unterstützung für größere Forschungsprojekte erhalten haben. In beiden Texten mangelt es an Beschreibungen von teilnehmender Beobachtungen.
2.1. Raphal Laube
„Maasai-Identität und sozialer Wandel bei den Maasai“
Basel 1986 aus Social Strategies Vol.20
Raphal Laube studierte an der Universität in Basel Ethnologie, Soziologie und Psychologie. Zwischen 1980 und 1984 hielt er sich im Rahmen seines Studiums drei mal in Kenia und Tansania auf. Mit Hilfe eines Nachwuchsstipendiums des Nationalfonds betrieb er von 86 bis 87 Feldforschungen. Dabei stütze er sich auf vorhandene Bibliographien. Große Aufmerksamkeit des jungen Wissenschaftlers galt angeblich dem direkten und engagiertem Miterleben des damaligen Maasaialltags. Seine Arbeit beschränkte sich auf den sozialen Wandel und dessen Hintergründe. Deshalb bezog er das kenyatische Maasaigebiet ein, da hier der äußerliche Einfluss größer ausfiel. Jedoch verwendete er Hintergrundliteratur über beide Länder. Ausschlaggebend für die Literaturauswahl war seine persönliche Erfahrung während des im Dezember 1984 abgeschlossenen Studiums.
In seiner ausgiebigen historischen Einleitung, gibt er die Bilder der frühen Reisenden und die Erzählung der arabischen Karavanenführer wieder, obwohl er sie selbst als übertrieben darstellt. Frühe Forscherarbeiten und deren persönliche Grundeinstellungen werden ebenso analysiert, wie die verzeichneten Territoriumsverträge zwischen den Kolonialisten und den Maasai. Dies geschieht aufgrund seiner Vermutungen, indem er sich in die Lage beider Parteien zu versetzen versucht. So sieht er zum Beispiel den Grund für das weitgehend geschlossene Territorium der Maasai in ihrer beibehaltenen Identität. Diese versucht er darzustellen mit Hilfe von Eigendefinitionen der Maasai. Dabei muss er sich auf scherzhaft geführte Unterhaltungen mit einem jungen Maasai berufen oder bezieht sich auf vorhandene Literaturen, wie die von Galaty. Aufgrund mangelnder Forschungsergebnisse beschreibt er das Nachbarschafts- und Verwandschaftssystem der Maasai mit Hilfe überlieferter Mythen und Sagen. Dabei aufkeimende Zweifel an der Seriosität erklärt er wiederum mit einer nächsten Mythe. Nur selten beschreibt er eigene Beobachtungen, welche er dann aufgrund seiner Vermutungen weiter versucht zu erläutern. Fast schon zwanghaft erscheint der Versuch dem Buch wissenschaftlichen Charakter zu verleihen, indem er immer wieder Definitionen anderer Literatur über Begriffe über die Maasai, wie z.B. Klassen oder Subklassen einbringt. Sein beschriebenes Altersklassensystem bezieht sich auf das der Männer, und räumt der Frau eine eindeutig niedere Rolle ein. Auch seine Hauptfrage, die Abänderung der pastoralen Lebensweise, zitiert er größtenteils nur aus Literaturen, so dass seine Arbeit nicht über die Maasai berichtet, sondern über das, was man über die Maasai lesen kann.
2.2. Kunigunde Böhmer-Bauer „Nahrung, Weltbild und Gesellschaft“
Ernährung und Nahrungsregeln der Maasai als Spiegel der gesellschaftlichen Ordnung
Saarbrücken 1990
Durch die (angebliche) Lücke in der Literatur über die Ernährungsgewohnheiten der Maasai, sah sich Kunigunde Böhmer-Bauer dazu verpflichtet diese Lektüre zu veröffentlichen. Doch sollte man annehmen, dabei etwas Neues zu lesen, so stellt sich das schnell als Irrtum heraus, denn Frau Böhmer-Bauer basiert ihre Lektüre nahezu ausschließlich auf vorhandene Literatur. Lediglich kurze Auswertungen und Erläuterungen unterbrechen den ethnographischen Abriss. Sowohl Theorien, Definitionen, Fakten, als auch die Lösung der zwei Hauptfragen `Welchen Stellenwert hat Milch, Fleisch und Blut` und `Welche Vorschriften bezüglich der Ernährung existieren bei den Maasai` entnimmt sie aus vorhandenen Literaturen.
Es ist anzunehmen, dass Frau Böhmer-Bauer selbst niemals bei den Maasai gewesen ist, sondern sich aussschließlich auf vorliegende Literaturen bezieht.
3. GESCHLECHTSPEZIFISCHE FORSCHUNG
Kommt man als Forscher in eine patriarchalische Gesellschaft, wie die der Maasai, so wird man von ihnen je nach Geschlecht unterschiedlich betrachtet und respektiert. Maasai Männer sind männlichen Forschern meist aufgeschlosser und kommunikativer, als Frauen gegenüber. Von daher ist es für männlicher Forscher relativ einfach die Maasaigesellschaft aus der Sicht der beforschten Männer zu verstehen und zu erklären. Paul Spencer untersucht vorrangig die männlichen Aspekte dieser Gesellschaft.
Ulrike von Mitzlaff liefert im Gegensatz dazu als weibliche Forscherin eine fundierte Arbeit über die weiblichen Aspekte Parakuyogesellschaft. Sie erklärt ihre Aussagen nicht wie die zuvor beschriebenen Arbeiten mit bereits geschriebenen Worten, sondern kann sich fast ausschließlich auf ihre eigenen Beobachtungen beziehen.
3.1. Paul Spencer „The Maasai of the Matapato“
1988 Gloucester
Paul Spencer betrieb in der Zeit von Juli 1976 bis September 1977 Feldforschung bei den Maasai. Dabei lebte er mit seiner eigenen Familie in einem Zelt in der Nähe der Ansiedlung. Spencer kannte die Ethnie der Maasai bereits aufgrund seiner früheren Arbeiten über die Sambura. Doch zum ersten Male fühlte er sich, als fasste er unter den Maasai Fuß, zum großen Teil dank seiner beistehenden Familie. Er wählte das Gebiet Meto an der keniatischen Grenze zu Tansania als Ort seiner Feldforschung, da dieses Gebiet von dem Tourismus unberührt geblieben ist. Er sammelte zum Teil Erfahrungen aus erster Hand, indem er an bestimmten Zeremonien teilnahm. Hauptsächlich jedoch begnügte er sich jedoch mit dem, was er von seinen Informanten erzählt bekam. Somit enthält das vorliegende Buch zumindestens eine Fülle an Matapato Anekdoten, wobei die Maasai ihren Blick über sich selbst erzählen. Dabei versucht Spencer Geschichtenerzähler auch als solche zu entlarven und sich vorwiegend auf realistische Berichte zu konzentrieren. Während seines Aufenthaltes besuchte er auch mehrere andere Stämme in Kenia, wie zum Beispiel die Loitokitok und Purku.
Die längste Phase seiner Arbeit wurde jedoch die des Schreibens. Dabei diskutierte er viel mit seinen Kollegen und Seminarteilnehmern. Auch die Menschen, denen sein Dank gilt an ihrer Mithilfe an seinem Buch sind vorwiegend männlichen Geschlechts.
3.2. Ulrike von Mitzlaff „Maasai-Frauen“
München 1988
Da alle Literatur bezüglich der Maasai lediglich die männlichen Aspekte der Kultur untersucht, hat sich Ulrike von Mitzlaff den weiblichen Teil dieser Maa-sprechenden Ethnie zum Gegenstand gemacht. Sie untersucht scharfsinnig die Maasaifrauen und betrachtet die Ethnie aus deren Blickwinkel. Dabei werden sowohl der Alltag als auch die ausgiebigen Zeremonien detailliert beschrieben. Sie kritisiert energisch all jene Literatur, welche die Frauen als völlig von Männern abhängige Individuen darstellt.
Zwischen 1982 und 1985 betrieb sie bei den Parakuyo in Tansania Feldforschungen. Darauf beruhend analysiert sie die sozialen Beziehungen der Frauen untereinander und zu den Männern. Dabei werden sowohl eheliche als auch außereheliche Beziehungen beobachtet.
Desweiteren werden die Möglichkeiten der Frauen sich den Kontrollen der Männer zu entziehen erläutert, um den größeren Handlungsspielraum der Frauen innerhalb der nach außen so aussichtslosen Gesellschaft zu verdeutlichen. Jedoch will Frau von Mitzlaff ihre gesammelten Erkenntnisse über die Parakuyo nicht als Verallgemeinerung über die gesamten Maasai verstehen.
In ihrer Arbeit beruht sie sich teilweise auf Literaturen von Spencer (1965 + 1973) und Jacobs (1965 + 1970). Jedoch ist auch ihnen, laut Mitzlaff, die Problematik der Frauen nicht so zugänglich, wie ihr es geworden ist, da sie – wie die Mehrheit der Maasaiforscher- männlich sind. Männliche Forschungsergebnisse sind diesbezüglich doppelt gebrochen, da sie zum einen größtenteils Männer als Informanten bevorzugen, so dass selbst die Informationen über Frauen meist nur von Männern stammen und zum zweiten die afrikanischen Männer gegenüber Fremden kommunikativer sind als Frauen, da sie meist einer anderen Sprache mächtig sind.
Ulrike von Mitzlaff zieht Beobachtungen grundsätzlich gegenüber Aussagen über Beobachtungen vor. Dies wirkt sich positiv auf die Glaubwürdigkeit des Buches aus. Sie widmet einen großen Teil ihrer Forschungsmethodik. Dabei erläutert sie vorab die Bedingungen, die den erworbenen Fakten zugrunde liegen. Auch im Verlauf des Buches erkennt man die Seriosität ihrer Aussagen, indem sie genaue und detaillierte Beschreibungen des Vorgefallenen wiedergibt oder ihre Informationsquelle eindeutig festmacht.
Ulrike von Mitzlaff fordert, um gegen vorhandene Daten bezüglich der Gesellschaftsstruktur bei den Maasai argumentieren zu können, eine Defizitbeseitigung neuer Fragestellungen. Als einen Anfang dessen möchte sie ihr Werk verstanden haben.
Zu Beginn ihrer Forschung lebte Ulrike von Mitzlaff bereits zwei Jahre in Tansania und kannte somit Land und Leute. Dies stellte sich als unsagbar wertvolle Voraussetzung heraus, denn sie wurde in höchsten Maße von den Bewohnern geschätzt und respektiert. Außerdem sprach sie die Landessprache Kisuaheli. Sie lebte dennoch in einer ihr ungewohnten Männergesellschaft, in Dar-es-Salaam, in der Frauen nahezu keine Berufsaussichten genießen können. Es sei denn sie unterwerfen sich den sexuellen Nötigungen ihres Arbeitgebers. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln reiste sie zu einem, den Parakuyos naheliegenden, Dorf. Ständig äußerten dabei Passanten ihre Spekulationen und stellten neugierige Fragen, wo denn ihr Bwana sei. Die Abwesenheit des Mannes wurde immer zuerst registriert, und sie musste immer wieder die Antwort geben, dass ihr Vater und ihr Ehemann mit ihrer Arbeit einverstanden sind.
Die Ansiedlung der Parakuyo lag mitten in der Steppe. Sie genoss als Gast und als Weiße gewisse Privilegien, die einer Frau normalerweise vorenthalten sind, bezüglich der Sprache und Essensregeln. Durch Mangel an Verwandtschaft, jeglichem Status und Kinder fand sie keinen Platz in der Gesellschaft, in welcher die Spielregeln ihrer eigenen Gesellschaft inhaltslos waren. Dies empfand sie als „seltsam“. Alle Regeln der afrikanischen Gesellschaft galten nicht für sie, bis auf die gröbsten Regeln der Höflichkeit und des Anstandes. Innerhalb der Gesellschaft fühlte sie sich unpassend. Als Frau hatte sie es besonders schwer, da männliche Forscher einfacher integriert werden, da meist akzeptiert wird, daß er seine Arbeit macht. Wenn man als Frau forscht, sehen die Beforschten in ihr vorerst nur eine Person, die die Rolle der Frau verweigert. Wann immer sie mit Männern Gespräche führte, verdeutlichten sie ihr ihren Sonderstatus. Auch von den älteren Frauen erhielt Ulrike von Mitzlaff kein Verständnis, da sie kinderlos war. Sie lehnte es jedoch ab, Kinder in der Heimat vorzutäuschen, da sie eine offene und gleichberechtigte Beziehung zwischen Forscherin und Beforschten anstrebte. Junge Mütter machten sich über sie lustig, dass sie keine Milch in den Brüsten hat. Nur die jungen Mädchen waren ihr gegenüber unvoreingenommen. Es irritierte sie enorm, dass sie in den Augen der Parakuyo eine Art geschlechtsloses Wesen darstellte.
Die Motivation „Frauenforschung“ zu betreiben entstand aus dieser persönlichen Betroffenheit und dem Wunsch danach, sich selbst und die anderen zu verstehen.
Als Ethnologin bleibt Ulrike von Mitzlaff für die Parakuyo unverstanden, da ihr Verhalten innerhalb der Gesellschaft der Parakuyo und deren kulturellen Kontext interpretiert wird. Ulrike von Mitzlaff entwickelte schließlich die Absicht, zu der emotionalen und sozialen Realität der anderen vorzustoßen. Die Parakuyo tun dies natürlich nicht. Dies führte dazu, dass sie sich in der Steppe hilflos und abhängig fühlte. Dennoch wurde sie durch ein Stück gemeinsam gelebter Geschichte lebensfähig und für die anderen zum Teil verständlich. Dadurch war es ihr möglich die unterschiedlichen Rollen in dieser Gesellschaft zu entdecken.
Die Feldforschung fand ohne finanzielle Unterstützung statt, was ihr einen enormen Freiraum verschaffte. Ihre Aufenthalte bei den Parakuyos fanden von Anfang 1982 bis Mitte 1985 statt, wobei sie dreizehn mal (meist einen Monat lang) Gast in einem Haus einer alten Frau war, die mit ihren vier Söhnen in einem enkang lebte. Die Gruppe bestand aus 34 Menschen. Davon waren 16 weiblichen Geschlechts. Während ihrer Aufenthalten zerbrach die Gruppe durch Umzüge und Hochzeiten. Tatsächlich waren aber immer viele Leute vor Ort, da der enkang gastfreundlich war. Alleinsein galt bei den Ilparakuyos als ausgesprochen unerfreulicher Zustand. Ebenso empfand Ulrike von Mitzlaff. Täglich hatte sie zu mehr als dreißig Menschen Kontakt, hauptsächlich bei der sesshaften Ethnie Wazigua. Häufig besuchte sie für kürzere Zeit benachbarte enkangs um dem verwandtschaftlichen Aspekt zu berücksichtigen und um Personen zu besuchen, denen sie vertraut war. Außerdem bemühte sie sich, so viele Rituale wie möglich mitzuerleben. Aus diesem Grunde besuchte sie auch gelegentlich entfernte enkangs. Durch ihre Zugehörigkeit zu ihrer Ansiedlung gewann sie zwar schnell Vertrautheit und war sich einem intensiven Miterleben des Alltags sicher, jedoch bestand darin auch die Gefahr der Einseitigkeit. Aus diesem Grund bereiste sie mehrere Ansiedlungen mit unterschiedlichen infrastrukturellen, ökologischen und sozialen Merkmalen. So sammelte sie in den verschiedenen enkangs unterschiedliche Daten. In einem entfernten enkang erfuhr sie beispielsweise medizinische Bedingungen der Parakuyos. Desweiteren besuchte sie Institutionen und Plätze in naheliegenden Dörfern, wobei die Parakuyos mit ihren Nachbarn, den Bantus, in Kontakt kamen. So nahm sie am wöchentlichen Marktleben teil, besuchte Krankenstationen, Kirchen, Maismühlen, Rinderauktionen, Wasserstellen und vieles mehr. Daraus erkannte sie Bilder über die Gesellschaft aus der Sicht von Nicht-Parakuyos. Dabei sammelte sie die unterschiedlichsten Einschätzung über die Ethnie. Befragungen mit dem Krankenhauspersonal, Lehrern von zwei Dorfschulen strukturierte sie vor. Die gewonnen Erkenntnisse diskutierte sie in Dar-es-Salaam mit Verwandten der Ilparakuyos. Bei der Gelegenheit konnte sie sich für die Gastfreundschaft revanchieren. Noch Jahre nach der Feldforschung hält sie den Dialog mit den Parakuyos per Brief und Tonband aufrecht.
Ihre periodischen Aufenthalte waren äußerst arbeitsintensiv. Ihre Intervallsforschung begründet sie mit den harten Bedingungen, wodurch sie an ihre physischen und psychischen Grenzen geraten würde, wäre sie länger als einen Monat geblieben. Außerdem kann sie so Überdruss beider Parteien ausschließen und eine Gewöhnung an die Ethnie konnte verhindert werden, so dass sie immer aufmerksam ihre Umwelt beobachtete. Während ihrer Pausen, bearbeitete sie ihre Erkenntnisse theoretisch und emotional. Als Nachteile der Intervallsforschung erwiesen sich verpasste Ereignisse und die Schwierigkeit der Spracherlernung. Dies erforderte gelegentliche Ausweichung auf das Kisuaheli.
Mit ihrer minimalen Ausrüstung gelang ihr eine unauffällige Integration. Sie nahm an den täglichen Aktivitäten der Frauen teil und war ständig die Lernende, bezüglich der Sprache, dem Verhalten oder den allgemeinen Fertigkeiten. Da sie weder Zelt, Haus noch Fortbewegungsmittel besaß, war sie ständiger Teil an dem Leben der Parakuyos. Die nächtlichen Gespräche stellten eine unerschöpfliche Quelle von Informationen dar. Ulrike von Mitzlaff übernachtete in einem Haus, in dem sich acht Menschen zwei Betten teilten. Auch die Frauentreffen unter dem Schattenbaum boten unzählige Informationen. An diesem Ort machten Frauen Politik und konnten Einfluss auf das Leben ihrer Umgebung nehmen. An ihnen nahm Ulrike von Mitzlaff aktiv teil.
Die Parakuyofrauen haben viele Möglichkeiten, das Missfallen innerhalb der Frauengruppe anzusprechen. Sie können bis zur Hochzeit frei über ihren Körper und ihre Sexualität entscheiden. So betont Ulrike von Mitzlaff ständig, dass es die Mädchen sind, die über ihre Liebhaber entscheiden.
Während ihres Aufenthalts fanden ausschließlich weibliche Zeremonien statt. Daraus zog sie wichtige Erkenntnisse, auf die sie aufmerksam machen möchte. Das Leben der Parakuyofrauen ist reich an Zeremonien, nicht wie häufig behauptet feiern die Frauen nur an ihrem Hochzeitstag. Sie beschreibt die Feste chronologisch bezüglich Lebensläufen und gibt auch Kommentare zu bestimmten Festen, um verwandtschaftliche Zusammenhänge verstehen zu können.
Ihre Feldforschung war keiner bestimmten Zielsetzung unterlegen. Sie wollte das tägliche Leben erfahren und interessierte sich, ob die Frauen tatsächlich so unsichtbar und zweitrangig sind, wie sie immer wieder in Literaturen beschrieben werden. Derart unpräzise Fragestellungen bildeten eine offene Feldforschung, deren Wirklichkeit nicht durch Methodik vorkonstruierbar ist. Offene Feldforschungen ermöglichen menschliche Beziehungen zwischen Forscherin und Beforschten und eine Entwicklungsgeschichte dieser Beziehung. Ihrer Meinung nach ist dies die Grundvoraussetzung für das wirkliche Verstehen, und Daten werden erst dadurch sinnvoll und vertretbar.
Ulrike von Mitzlaff wollte Widersprüche und Ambivalenzen in der sonst so eindeutig beschriebenen Gesellschaft aufspüren. Dabei möchte sie ihre Daten nicht in ein theoretisches Konzept pressen. Ihre Methoden möchte sie nicht als weiblich oder feministisch bezeichnen. Für besonders wichtig hält sie das Sammeln, Darstellen und Analysieren von Lebensläufen, um die Präsenz der Menschen nicht zu verlieren. Personen stellen für sie keine beweiskräftigen Akteure für ihre Ausführungen dar, sondern werden innerhalb ihres sozialen und kulturellen Zusammenhang vorgestellt. Ulrike von Mitzlaff sammelte ausgiebig Lebensläufe von Frauen, um deren Situation und den Wandel dieser Situation darzustellen. Als Alternative dazu beschreibt sie das von ihr beobachtete Leben.
Zusätzlich legt sie besonderen Wert auf die Frauenrechte, da sie vorher nicht erwähnt wurden. Auch die geschlechtspezifische Arbeitsteilung wird näher erläutert. Bessere Vorstellung über die Gegend erreicht sie durch genaue Gebietsbeschreibung und Erläuterungen der Nachbarbeziehung.
Im Mittelpunkt stehen jedoch immer die Frauen der Ansiedlungen und deren Beziehungen untereinander und zu den Männern. Sie beschreibt hauptsächlich das Beobachtete, bietet aber auch Exkurse in die Vergangenheit, um die Situation transparent werden zu lassen. Ulrike von Mitzlaff trennt deutlich zwischen Beschreiben und Interpretieren. Die Solidarität der Frauen beschreibt sie beispielsweise durch das Zusammenhalten gegenüber den Männern. Parakuyofrauen verraten niemals Liebesaffären den Männern, da sie auch nicht verraten werden möchten.
Der Platz der Frau innerhalb der Gesellschaft beruht auf der Position in der weiblichen Altershiearchie, der persönlichen Verhaltensmuster und der Solidarität. Die Trennung von männlichen und weiblichen Leben ist, laut Ulrike von Mitzlaff, nicht gleichzusetzen mit der Trennung von politischen und privaten Aspekten des Parakuyolebens. Somit stellt die Trennung auch die Möglichkeit für rein weibliche Bereiche innerhalb der Gesellschaft dar.
„Maasaifrauen“ stellt meiner Meinung nach die glaubwürdigste und wissenschaftlichste mir zugängliche Maasailiteratur dar. Sowohl ihre Forschungsmethodik als auch Quellen ihrer Information legt sie offenkundig dar, so dass das detailierte Beschriebene nachvollziehbar wird.
Ulrike von Mitzlaff hatte das, meiner Meinung nach, außerordentliche Glück, eine von außen uneingeschränkte Feldforschung betreiben zu können. Dabei konnte sie sich vollständig der sich gestellten Frage hingeben. Ihre Vorgehensmethoden erläutert sie präzise und überzeugend. Durch ihre beispielhafte Vorgehensweise und intensive Teilnahme an dem Leben der Parakuyos erhält das Buch enorme Seriösität und Glaubwürdigkeit.
4. MEDIAL AUSGERICHTETE FORSCHUNGEN
Die Maasai tragen künstlerischen Körperschmuck, der ihren Stand in der Gesellschaft und im Altersklassensystem symbolisiert. Besonders zu den unzähligen Zeremonien bemalen sich die Maasai. Die Rituale sind äußerst traditionell, bedeutungsvoll und prägen zum großen Teil die Kultur. Ich hatte 1995 das Glück eine Maasaizeremonie miterleben zu dürfen. Ein solches Fest lässt sich nur schwer mit Worten beschreiben. Daher bietet es sich an, diese Kultur nicht auf dem Papier der westlichen Welt näher zu bringen, sondern auch andere Medien zu verwenden, welche die Impressionen eher auszudrücken vermögen.
Melissa Llewlyn Davies versucht das Fruchtbarkeitsritual der Maasaifrauen in ihrem Film darzustellen. Dabei hat das Medium Film weniger erklärende und interpretierende Funktion, als vielmehr eine beschreibende.
Doris Wagner-Glenn hingegen forschte mit Maasaifrauen über deren Gesang und veröffentlichte eine detailierte Analyse der Lieder, welche die Kultur am deutlichsten ausdrückt. Dabei kann der Leser sowohl sich mit der Kultur der Maasai auseinandersetzen und sie verstehen lernen, als auch dank der Kassette Eindrücke aus erster Hand sammeln.
4.1. Doris Wagner – Glenn „Searching for a Baby’s Calabash
A study of Arusha Maasai Fertility Songs as Crystallized Expressions of Central Cultural Values
Ludwigsburg 1992
Doris Wagner-Glenn untersuchte die im Norden Tansanias angesiedelten Arusha Maasai unter besonderer Betrachtung der weiblichen Zeremonien und Lieder. Über einen Zeitraum von neun Jahren unternahm sie mehrmonatige Besuche zu den Maasai. Ihr erster Kontakt mit Ostafrika stellte ihre zweijährige Tätigkeit als Englischlehrerin in Nyeri, Kenia dar. Während dieser Berufsausübung wurde in ihr das Interesse bezüglich des Landes und der Leute geweckt, und sie machte sich mit der Gegend vertraut. Außerdem lernte sie die Landessprache Suaheli. Später lehrte sie in Tansania, wo sie die Möglichkeit erhielt, mit den Arusha Maasai in Kontakt zu treten. Die Maasaifrauen gaben ihr eine Vorstellung, was es bedeutet, eine Arusha- Ehefrau, Mutter und Großmutter zu sein. Durch Unterhaltungen und Beobachtungen verstand und notierte sie die Chronologie einer Arushafrau von der Geburt bis zum Tode. Mit ihrem Buch will Doris Wagner-Glenn die Arusha dazu anregen anzufangen, ihre eigene Kultur und Geschichte detailierter zu untersuchen. Sie bemerkte, dass die afrikanische Bevölkerung aufgrund von fremden fehlerhaften Veröffentlichungen über ihre Kultur, beginnen ihre Kultur besser zu verstehen und zu erklären.
Während ihrer ersten Feldforschung von August 1983 bis August 1984 sammelte Doris Wagner-Glenn hauptsächlich Aufnahmen von Liedern der Maasai auf Tonbändern und Videomaterial. Dabei hielt sie sich mit zwei Kassettenrecordern, einem Fernseher, einer Videokamera, einem Videorecorder und diversen Fotokameras in der Ansiedlung auf. Sie sammelte mehr als 170 Lieder, die sie auf Festen, in den Hütten der Arusha oder bei sich zu Hause in Chuo cha Wabatisti aufnahm. Zusätzlich filmte sie mehr als 24 Stunden festliche Tänze und Gesänge. Sie wurde zu vielen Festen eingeladen und erhielt von den Maasai die Erlaubnis, zu filmen, was ihr Herz begehrte.
Bei ihrer zweiten Feldforschung von Juli bis Oktober 1989 führte sie vorranging Interviews mit erwachsenen Frauen und Männern durch, um ihre gesammelten Musikstücke tiefgründig zu verstehen. Dabei zog sie oftmals ihren Freund Mr. Mollel, ebenfalls ein Arusha, zu Übersetzungen und Interpretationsvorschlägen zu den Liedern zu Rate. Sie diskutierte mit den Maasai über die Auswahl von Liedern und fragte sie nach ihren Meinungen bezüglich der Qualität des Gesangs und der Aufführung der einzelnen Aufnahmen. Nach diesen Gespächen und ihrer eigenen Einschätzung versuchte sie eine möglichst gute und repräsantive Auswahl zu treffen.
Acht Lieder untersucht sie detailliert und sind auch auf einer Kassette beigelegt.
Zusätzlich veröffentlicht sie Kurzbiografien wichtiger Arusha Maasais und geführte Interviews mit Menschen, die von sich selbst behaupten, Zugang zu Gott zu besitzen.
4.2. Christina Ahr „Fruchtbarkeit und Respekt“
Filmethnologische Untersuchung eines Geschlechterkonflikts um ein Ritual bei den Maasai
Arbeiten aus dem Mainzer Institut für Ethnologie und Afrika-Studien
Göttingen 1988
Der Film „The Woman’s Olamal“ von Melissa Llewlyn Davies beschäftigt sich mit dem Fruchtbarkeitsritual der Maasai in den Loita Hills im Südwesten Kenias. Er konfrontiert den Zuschauer mit der Selbsdarstellung der Maasai, der Vielseitigkeit ihrer reichen Kultur und ihrer sozialen Interaktionen. Ergänzende Literaturen liefern die strukturellen Hintergründe. Christina Ahr versteht ihre Magisterarbeit als einen Versuch beide Medien ineinander zu verwenden.
Jedoch will ich mein Augenmerk mehr auf die beschriebenen Methoden Llewlyn Davies richten. Als der Film, der als Versuch des Näherbringens einer fremden Kultur zu verstehen ist, in den Sommermonaten 1981 gedreht wurde, kannte sie die Maasai schon über zehn Jahre. Ihr erster Kontakt mit den Einwohnern der Loita Hills war im Jahre 1970. Damals betrieb sie eine zwei Jahre dauernde Feldforschung, wobei sie hauptsächlich an dem Leben zweier Familien teilhatte und unter ihnen lebte. Seit 1973 kehrte sie noch mehrmals zu den Maasai zurück und dokumentierte mit kleinen Fernsehteams ihre Aufenthalte. Schon damals waren ihr die Zeremonien, die Sprache und das alltägliche Leben bekannt. So auch die Vorbereitungen und die Durchführung des Fruchtbarkeitsrituals der Frauen. Diese Voraussetzungen wirkten sich positiv auf die Zusammenarbeit zwischen den Menschen vor und hinter der Kamera aus. Die Filmemacher konnten ein hohes Maß an Vertrauen geniessen und vertrauliche Gespräche in Konfliktsituationen aufnehmen. Die Maasaifrauen äußerten deutlich ihr Interesse, Llewlyn Davies zahlreiche Informationen zu geben und vor der Kamera ihre Kultur darzustellen. Gelegentlich reichte die Integration so weit, dass die Maasai versuchten Llewlyn Davies in ihre sozialen Belange einzubeziehen. Frauen fragten sie nach einer Tasse Tee und ein Mann bat sie um finanzielle Unterstützung.
5. UNWISSENSCHAFTLICHE „FORSCHUNG“
Corinne Hofmann „Die Weiße Massai“
München 1999
In ihrem, wie sie es nennt, Bericht schildert Corinne Hofmann ihren vier Jahre langen Aufenthalt bei den Maasai in Kenia. Dieses Buch stellt keine wissenschaftliche Arbeit dar und auch ihre Zeit in Kenia kann man nicht als Feldforschung betrachten. Jedoch möchte ich untersuchen, wie Corinne Hofmann ihre Zeit bei den Samburu Maasai verbracht hat, da sich ein Vergleich der Vorgehensweise mit den Aufenthalten der zuvor beschriebenen Autoren anbietet.
Corinne Hoffmann war fest dazu entschlossen ihr bisheriges Leben in der Schweiz aufzugeben um unter den Maasai zu ihrem Glück zu finden. Sie verliebte sich in einen Krieger, den sie später heiratete und mit ihm eine Tochter zur Welt bringt. Um mit ihrem Maasai zusammen leben zu können scheute sie weder finanzielle noch körperliche Ausgaben. Sie bezog mit ihm eine Hütte in seinem Heimatdorf, Barsaloi. Doch sie fand in der Kultur keinen Platz und geriet häufig an ihre psychischen und physischen Grenzen. Zu enorm war die Fremdheit, ob bei Essengewohnheiten oder auch auf sexueller Ebene. Sie wurde oft krank, litt unter Hepatitis und mehrmals unter Malaria. Nicht nur in mehrmonatiger Quarantänezeit fühlte sie sich einsam und verlassen. Durch intensives Teilhaben an dem alltäglichen Leben und Arbeiten der Maasai versuchte sie ihren Platz innerhalb dieser Ethnie zu finden. Sie beginnt durch Gespräche und Beobachtungen das Verwandtschaftssytem und Gesellschaftsregeln zu verstehen. Fasziniert nimmt sie an traditionellen Zeremonien teil und nimmt Gesänge der Maasaitänzer auf ihr Tonbandgerät auf. Im Nachhinein tanzen die Maasai zu der Musik auf Band und erlangen durch den der von ihr eröffnete Lebensmittelladen einen gewissen Wohlstand. Später wird aus dem Laden, indem einst Zucker und Mais verkauft wurden ist jedoch eine Dorfdisko mit einheimischer Musik und Bier. Das Angebot richtet sich bald auf die Bauarbeiter, die im Dorf eine Schule erbauen.
Immer wieder dringt sie in die Ethnie der Maasai ein und verändert sie. Mit ihrem Mann zum Beispiel zieht sie aus der traditionellen Manyatta in ein Zwei-Zimmer-Blockhaus im Dorf. Dadurch aufkommender Neid und Missverständnis entzündet Probleme innnerhalb der Gemeinschaft. Sie überredet ihren Mann, geheiligte Regeln zu brechen, um beispielsweise mit ihm Essen und Baden zu können. Auch durch das Einbringen materiellen Güter, wie ihr Auto oder Verkaufsartikel entfacht sie immer wieder Streit unter den Maasai.
Dieses bewußte und gezielte verändern der Maasaikultur stellt den vehementen Unterschied zu den vorher beschriebenen Forschungsarbeiten dar. Ethnologen sind bemüht – oder sollten es zumindest sein – das Funktionieren der fremden Ethnie nicht zu stören. In Realität ist das schwer möglich, da jede Forschung ein Eindringen in die Kultur darstellt. Auch wenn es noch so gering ist, so bedeutet dies stets Veränderung innerhalb der Ethnie. Auch Doris Wagner Glenn beeinflusste die Kultur indem sie mit den Maasaifrauen ihre Aufnahmen diskutierte. Ebenso Llwlyn Davies durch das Mitbringen von ihren Filmkameras. Ein Feldforscher sollte stetig bemüht sein, während seiner Forschung sich so wenig wie möglich in die Kultur einzubringen. Es sei denn er paßt sich ihr vollkommen an, so wie Frau von Mitzlaff es anscheinend tat. Dadurch war es ihr möglich, den Maasaialltag intensiv mitzuerleben, ohne ihn durch ihre Persönlichkeit zu beeinflußen und zu verfälschen.
6. IDEALE FORSCHUNGSMETHODIK
Zusammenfassend möchte ich den Versuch machen, aus allen zuvor beschriebenen Methoden eine ideale Feldforschung theoretische darzustellen. Wie schon zuvor in meiner Arbeit beschrieben, stellte sich die Methodik von Ulrike von Mitzlaff als die beste der neun Feldforschungen dar. Daher wird die Zusammenstellungen deutlich von ihrer Vorgehensweise geprägt. Was an ihrer Arbeit zu bemängeln wäre, ist zum einen ihre Intervallsforschung. Diese „ersetze“ ich durch Corinne Hoffmanns fast durchweg vier Jahre langen Aufenthalt bei den Maasai. Zum anderen stört bei von Mitzlaff die Einseitigkeit, denn sie betrachtet lediglich die weiblichen Aspekte der Gesellschaft. Daher entsteht eine Verzerrung der Realität. Zu ihrer Verteidigung erklärt sie explizit das sie sich auf die Maasaifrauen konzentriert, da dies in der Literatur ein Defizit darstellt. Jedoch um eine optimale Feldforschung zu betreiben, müßen beide Geschlechter gleichermaßen einbezogen werden. So nehmen wir also um ein Gleichgewicht zu erhalten Betrachtungsweisen von Spencer mit hinzu, der die männlichen Aspekte in den Vordergrund rückt. Um dabei den Bezug zu den Maasaimenschen nicht zu verlieren, wäre es sinnvoll persönliche Gedanken und Emotionen der Maasai einzubringen. Episoden aus Saitotis Text würden dem Leser näheren Bezug bieten können. Eine weitere Möglichkeit, die Forschung und deren Darbietung lebendiger werden zu lassen, stellt Davies Methodik Beobachtetes auf Video aufzunehmen. Im Zeitalter von Multimedia, wäre es ja durchaus möglich Text mit Musik und Filmauschnitten zu koppeln. Wichtig wäre dabei allerdings auch, daß Videotechnik erst nach einem aufgebauten Verhältnisses zwischen Forscher und Beforschten eingebracht wird, um Vertrauen zu bewahren.
Als einen der wichtigsten Aspekte der Forschungsmethode sehe ich die beschriebene Problematik der Verfälschung der Ethnie durch den Ethnologen. Auch dieser Aspekt müßte von Ulrike von Mitzlaff übernommen werden. Durch ihre Unauffällige Integration fiel der „Schaden“ bei ihrer Forschung vermutlich am geringsten aus.
Literatur
Ahr, Christina „Fruchtbarkeit und Respekt“
Filmethnologische Untersuchung eines Geschlechterkonflikts um ein Ritual bei den Maasai
Arbeiten aus dem Mainzer Institut für Ethnologie und Afrika-Studien
Göttingen 1988
Böhmer-Bauer, Kunigunde „Nahrung, Weltbild und Gesellschaft“
Ernährung und Nahrungsregeln der Maasai als Spiegel der gesellschaftlichen Ordnung
Saarbrücken 1990
Hofmann, Corinne „Die Weiße Massai“
München 1999
Laube, Raphal „Maasai-Identität und sozialer Wandel bei den Maasai“
Basel 1986 aus Social Strategies Vol.20
von Mitzlaff, Ulrike „Maasai-Frauen“
München 1988
Saitoti, Tepilit Ole „The Worlds of a Maasai Warrior“
Los Angeles 1986
Sankan, S.S. Ole „Maasai“
Nairobi 1971
Spencer, Paul „The Maasai of the Matapato“
1988 Gloucester
Wagner – Glenn, Doris „Searching for a Baby’s Calabash
A study of Arusha Maasai Fertility Songs as Crystallized Expressions of Central Cultural Values
Ludwigsburg 1992